Friday, March 28, 2014

Ростов Ярославский, 13 \NOV \2013

[dt]
Unter Freunden Feinden feigen Wolken knittern Zweifel aus Ketten aus perligem Schweiß und ich kratze meinen Nacken. So wie alles errötet, höre & erröte ich weiter. Solche Gespräche weiden mich aus. Artig und aufmerksam stehe ich das erste Mal auf dem Teppichboden des Rostover Hotels. Die grünen Wände stehen fügsam und starren. Neben mir Carlo, der mir beisteht. Mir gegenüber ruht aufrecht ein circa 55-jähriger Russe in einer echten Daunenjacke, die vergeblich versucht seine Kälte zu beschäftigen. Seinen Namen habe ich nie erfahren. Ihm fehlt ganz sicher ein Zahn. So krempelt sich seine untere Lippe stetig um, dass er vor unnötigem Wissen gleich anfangen wird zu pfeifen, wie ein Kessel, der einen Fluch würgt. 
Seine Gesten begleitet er mit einer flockigen Leichtigkeit, die mich verunsichert. Es war die deutsche Sprache, die ihn überhaupt aufmerksam macht; fängt erst an einzelne deutsche Wörter zu verpfilzen, jedoch wirklich schmiegen tut sich das Russische entlang des künstlich belaubten Korridors. Das Gespräch ist da. Erzählt, daß er 20 mal in München war, 11 mal in Hamburg, einige Male in Nürnberg. Alles weiter auf Russisch, mit bemühtem deutschem Stich (eine Geste, die sich an mich richtet), da Reisen und Fremde auch Fremde bilden kann. Es war aber schon vorher klar, dass ich einen Geschäftsmann amüsiere. Zugegebenermaßen empfinde ich ein Wohlsein, als ich ihm sage, ich bin Pole; ich betrachte gerne seine Verwirrung -den Paradigmenwechsel, der quer über sein Gesicht schüttert, von Deutsch zu Polnisch, von Respekt zu Abfall. Er schildert mir, dass ich keinem hier erzählen soll, ich sei Pole. Spricht über Warschau, über Moskau, wo mit den Ultranationalisten und ihren städtischen Häupten die gleiche Scheiße verkleckert wird. Ich spüre meine gründlichen Sätze wüten, dann spüre ich Erschöpfung, horche teilstumm weiter. Er führt fort und erläutert laut, dass Chopin auf Mallorca starb. Wichtig -aber vielleicht eher doch unwahr?
Dass Kościuszko ein britischer Agent war. Eben plötzlich da überkommt mich ein besiegendes Gefühl von Laster. Der letzte Schuß erträglichen Schwachsinns ist gefallen. Ich schöpfe nichts mehr, taumele im Geiste näher der Klippe, nuckele an einer ausgedrückten Kippe, schon weg -vielleicht bin ich verwundend?- da erzählt mir mein gefährlicher Gesprächspartner, dass die Polen seit 1000 Jahren nichts weiter als Provokateure seien. Sich immer nur widersetzt haben, aufmüpfig und vergeblich einen Aufstand nach dem Nächsten jagten. Meine Gedanken an den Ansichtentausch haben mich den flauschigen Rückweg vergessen lassen.
Mein Körper liegt nun im Hotelzimmer. Zurück denkend an diesen einen daunenden Russen, multipliziere ich ihn mal 17 Millionen Quadratkilometer; schüttele dann den Kopf und Versuche mich zu beschwichtigen, dass ich doch nicht von Vorurteilen verseucht bin. Kein Grund Angst zu haben.
So entspanne ich seltsam den ganzen Körper & währenddessen strahlt der kleine hängende Fernseher  ein Spiel aus, das Geschichte schreibt während die Gegenwart sich vergeblich abmüht unberechenbar zu sein. Carlo und ich stützen uns gegenseitig die Kinnladen. Denn. Ukraine gewinnt gegen Frankreich, 2:0.

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