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Ein trüber Tag begann
heute. Der letzte dieses Septembers.
Zeit stieß, zog, hob &
sank- hin und her.
Die eigenen Nervenstränge
summten eine alte, wütende Melodie durch alle eigenen Fleischlappen.
So sehr wage ich zu bezweifeln, dass mir lückenlos Sprünge zu
fremden Fleischlappen zu vereiteln möglich war. Es bleibt nichts,
als zu erschrecken davor -das, was um mich ist, vor diesen intimen
Tonfarben zu schützen. Die bekannten Sinne reichen jedoch nicht aus,
um Risse auszuschließen; & ein Durchzug beginnt...
Meine Kopfhaut erstarrt
seit ein paar Tagen wieder zur der mir gut bekannten Dürre, die noch in
Berlin mal ihr Debut hatte. Ich kratze mich und zähle und lese die
muldigen Hautflocken auf, wie Buchstaben und Wörter; ich sammle sie
zart und gehe mit ihnen auf Euch zu.
Mein Stereotyp (bei
weitem nicht der Einzige) – wie man ihn in Pavlovsk fleißig rezitiert. Jeder
hat welche. Welche, die einen geißeln, dahin tragen, fest ziehen,
zeitweise belästigen, in die Knie zerren, in Stand und Referenz
üben lassen- gegenüber der Welt, die einen lächelnd herausfordert. Schon
mit einem Funken all dem Ruhe entgegen zu halten -so krank die Art es
zu tun auch sein mag- wird stets streng von gesunden Augen geprüft.
Wer ist gesund?
Trüb, wie einmal
geschrieben. Trüber, wie Vadim's Blick, der uns Sehenden eine
Blindheit verleiht, die mich ruhig schlafen lässt, den inneren Wahnsinn
verwarnt und tadelt, wie ein gezähmtes Kind in die Schranken weist;
den gesunden Verstand gießt und gierig sprießen lässt -ja, die
Arbeit windstill verrichten lässt.
Der Katarakt, der Vadim's
Blick bedeckt, ist der graue Regenbogen der sich heute düster über das
Zimmer der 9 weiteren Kinder welzte.
Das ist mein Ort. Etwa 6
Stunden am Tag, 4 mal 5 Tage monatlich. Es gibt aber viele Zimmer.
Vadim's Stereotyp: 2
Wörter. “Buh” (meine Vermutung= das tschechische Wort für
“Gott”) & “Abba” (das aramäische Wort für den 11. Monat
im hebräischen Kalender). Man sagt, betritt man diesen Monat,
erlischt das Glück.
Wäre ich blind, und sähe
ich nichts als die Bittschrift um das Licht anderer Menschen; besäße ich
einen Geist, der diesen anderen Menschen nach außen nur 2 Wörter
hinaustragen könnte,
würde auch ich diese
Beiden wählen.
Wiederrum kann es auch
sein, das eine schwedische Band in die Luft gesprengt werden könnte,
wurde bzw. sollte.
Betritt man morgens das
Waisenhaus, so ist es eine Pforte in eine andere seltene Ebene. Der
Geruch, so enorm -ja kompliziert und verzweigt- wurde an diesem Ort
erfunden: ein Äonen alter Haferbrei, der jeden Tag aufs Neue
gekocht wird und jeden Tag eine neue Schicht auf die ewig vorher
Gewesenen hinüberstreicht.
Pisse, Scheiße & Erbrochenes
schleicht und treibt sein Unwesen, schwebt flehend von Schulter zu
Schulter, neigt sich über und beteuert murmelnd aber auch seine
eigene Not und verkündet unterwürfig die Bitte um Verständnis, an
mich. Es ist nicht zu viel, dass es an die Französische Revolution
erinnert; an ihr damals schon rasch in Verunglimpfung gezogenes
Motto. Wo, wenn nicht an einem so geheimnissvollen absonderlichen Ort
wie hier, der Hauptstadt von zerstörerischer Hoffnung, zuverlässiger
Zuflucht, auflehnender Güte der Besucher, die das Anwesen dieser
mächtigen, still-kreischenden Wesen aufsuchen -dieser Kinder, die
uns zeigen, wie sehr sie die Fähigkeit haben, Kinder zu sein- , können diese Grundsätze ein Eigenleben gebären? (und
wie schwierig ist es diese Kunst -Kind zu sein- eisern zu halten, zu
verteidigen?)
Es ist schwer mit dem
eigenen Mittag.
Nach all dem, selber
Trinken & Essen zu sich zu nehmen ist seltsam. Dabei ist der Ekel
eher langweilig, und nicht gemeint hier; schnell in Vergessenheit
geraten, da er am einfachsten zu verzeichnen ist.
Eher wird einem der
unsichtbare Schluckreflex, der dehnende Rachen, der empfindsame Gaumen, die
fleißige Zunge, die erzogenen Zähne -alle ihre Heldentaten- ins Bewusstsein, in die erste
Reihe, gerufen.
Vadim trägt einen
tobenden Sturm in sich. Ehrlich, derb und voller genauem Verlangen.
Aber die Tracht seines Körpers verschließt diese inneren Freunde so
gekonnt, dass meine eigene zischende Windstille zu einem braven Witz
entarnt wird. Seine Beine und seine eine Hand sind kühl von Spastik
gemeißelt, auf lange Zeit verrenkt. Wie Haken schlingen sie sich um
alles, wie wandernde lange Pflanzen, die in einem leisen Grau
erstarren.
Ich habe heute zu spät
mit ihm gefrühstückt. Er beißt sich oft und prügelt sein eigenes Gesicht,
an vielen Tagen- auch wenn wir nicht hinschauen. Ich trage die
Verantwortung für seine trübe Laune, die sich dann heute zog, hob,
sank und stieß.